Wer die Verantwortung für sich selbst nicht tragen will, bekommt von der FPÖ das Angebot, sie den Ausländern, der EU und allen komischen Anderen umzuhängen, die einem eben nicht passen. Jede:r dritte Österreich:in lässt sich auf den Deal ein und wählt rechtsextrem. Dabei wird die FPÖ weder deine Ehe retten, noch deine Schulden zahlen, nicht deine Geschäft sanieren, nicht deinen Cholesterinspiegel senken und nie dein Alkoholproblem lösen,.. aber dich schön mit deiner Depression alleine lassen. Das einzige, was sie dir anbietet, ist die Möglichkeit, auf deine schwachen Nachbarn zu treten und die schlechteste Version deiner selbst zu werden, ohne dich dafür genieren zu müssen.
Es gibt brilliante Dinge – die stellen wir als Trophäen auf Insta oder hängen sie an die Wand. Und es gibt Dinge, die fahren wir mit holodaro zu Schrott, verscheißen sie und verstecken sie dann irgendwo im inneren Keller. Dafür gibt es Gründe, die wir nicht beeinflussen können – Konditionierungen, unzureichende Chancen, ungenügendes Er-wachsen sein,.. das ist traurig und unabänderlich, aber die Verantwortung für unser Handeln können wir am Schluss nur selbst tragen, wenn wir uns als freie Individuen wahrnehmen möchten. Absurderweise hebelt genau die “Freiheitliche” Partei diese Abmachung aus und kauft die Freiheit zizerlweise den Bürger:innen ab und verschlingt sie.
Das Weitere ist bekannt: Ton im Netz und auf der Strasse wird noch derber, die Polizei aggressiver, die Anschläge von allen Seiten werden eher zunehmen, die häusliche Gewalt eher steigen,.. (das klassische Populisten-Paket) und ein paar Köpfe in und um die FPÖ werden sehr gut verdienen. Prost. Mahlzeit. Es ist widerlich.
Vor ca. 2 Jahren habe ich begonnen, im Zug Ernst Jandl zu lesen. Jandl ist sehr gute Bahnliteratur. Kurz und fragwürdig – im besten Sinn. Die Antworten sind manchmal zu erknobeln, bringen mich aber oft zum Schmunzeln. Er schreibt sehr logisch, aber konsequent aus schrägen Perspektiven. Die üblichen Framings zerbröckeln förmlich an seinen Gedichten.
Ich habe mich dann durch Jandls Leben gegoogelt und einige seiner Kolleg:innen gefunden – viele sind berühmt, waren mir aber inhaltlich ein weißes Blatt. Die bekanntesten sind wohl Artmann und Nöstlinger. Da war/ist offenbar ein riesiges kulturelles Wahrnehmungsloch in meinem Hirn – ca. von 1945 bis Woodstock. Die Nachkriegszeit. In diesem Loch sitzt bereits etwas, das irgendwie Punk und Hippie und Techno ist, bevor es Punk und Hippie und Techno überhaupt gibt. Und es sind viele Wiener:innen involviert. Ich hatte das Gefühl, das sich meine eigenen Stücke an deren Ideen teilweise direkt anlehen – ohne dass ich die Originale kannte/kenne.
Dann fährt man wieder Zug. Und man liest mehr. Und man begeistert sich mehr. Und man nimmt eine Gitarre und schreibt in 2 Wochen ein ganzes Programm. Und man braucht 2 Monate, um es irgendwie spielen zu können. Und man fragt sich, ob man das überhaupt darf, diese ganzen legendären Texte einfach zu singen??? Und man macht es. Und es heißt jetzt Wiener Gebiss und es fühlt sich (für mich) fast an, als würden der Artmann und die Nöstlinger in der Küche drüben sitzen.
Diese Texte sind hautnah am Leben: manchmal in sehr erdigem Wienerisch geschrieben und mit 2 Füßen am Boden, dann dadaistisch-absurd und oft auch einfach zart. Es geht um die Liebe, das Unpackbare, den Wahnsinn des Kriegs und des Alltags danach, ums kleine Träumen und das riesige Übertreiben.
Für mich ist/wird es die Wienerisch-auf-der-Bühne Premiere… Durchaus aufregend und ein bisschen Juhu!!
Zum Stil: Die Werke sind in-line und nicht kontrapunktisch vertont (wie ich eigene Stücke sonst oft schreibe). Sprich, die Musik nimmt hier dieselbe Richtung wie die Erzählung. Das birgt zwar immer die Kitsch-Gefahr, fühlt sich aber bei diesen Texten besser an.
Konkret sind die Werke eben von Ernst Jandl, H.C. Artmann und Christine Nöstlinger, aber auch von Trude Marzik, Helmut Qualtinger und Georg Kreisler. Weitere dürften folgen.