The Witch is Dead???

„The witch is dead“ – schreiben unzählige Einträge und Bemerkungen zum Tod von Margaret Thatcher. Ihr Tod als Mensch ist bedauernswert. Die nachfolgende Trauer im vertauten Kreis ist zu respektieren.

Aber bei einer Ikone der Privatisierung, einer Weichenstellerin des Neoliberalismus, der uns gerade schwer zum Verhängnis wird, die soziale Scheere weiter öffnet, den steigenden Konsum predigt und das System wieder mal vor die Menschen stellt, gibt es eben auch die andere Seite. Dass da alle Lampen rot leuchten, ist verständlich. Dass die Köpfe rauchen und nach Möglichkeiten suchen aus dem Handlungskoma zu fliehen und endlich zu tun, liegt auf der Hand. Aber dass der Satz „The witch is dead“ freudig seinen Weg in die Tastaturen und die Münder findet, stösst mir unangenehm auf. Nicht wegen der bekennenden Abneigung gegenüber Margaret Thatcher und ihrem Nachlass, sondern wegen dem sorglosen Umgang mit dem Begriff Hexe. Die Hexe und ihr Tod – als freudige Formel verwoben und kindlich, unschuldig gesungen? Sind wir da nicht schon drüber?

Die Hexe  neu erlären, den Begriff aus seiner Märchenhaftigkeit befreien und aufarbeiten? Welche Rolle haben Hexen  übernommen und welches Erbe hinterlassen? Das füllt Bücher und Lexika. Eine kurze Themensammlung um zu skizzieren:

Die tradtionelle Hexe war entgegen der Interessen der Christianisierung, nahm eine Aussenseiterrolle ein, war meist eine intellektuelle und spirituelle Frau. An ihrem Tod und dem frei gewordenen Vermögen verdienten beide Seite. Das Recht sprach dem Denunzianten privat bis zu 50% des Besitzes zu. Das Recht kannte keine Grauschattierungen. Große Teile der vorchristlichen Kulturen und deren Wissen wurde mit der Hexenjagd vernichtet oder in den Klöstern christlich definiert. Private Gegner konnten wirkungsvoll ausgeschaltet werden. Sie waren im öffentlichen Tod als Vermarktungswerkzeug der Kirche und ihrer Allmacht fast einzigartig.

Das 20.Jahrhundert hat dann große Teile der kirchlichen Macht an weltliche Institutionen und Konzerne übergeben. Im gleichen Maß sind ihre alten Gegner romantisiert und zu literarischen Figuren verkommen.

Aber: Dahinter stehen Menschen. Die sind mit uns verwandt. Die wollten Rechte haben, nicht bevormundet werden und ein gleicher Teil ihrer Gesellschaft sein. Und jetzt sind wir da und haben neue Adressen, Frisuren, Gartenzwerge und Anschriften. Das Gegenüber, die Erben der Kirche, eben auch. Gleichberechtigung sieht noch immer ganz anders aus. „Aufarbeitung der Hexe“ wartet zwischen dem neuen Hänsel & Gretel und den sommernächtlichen Erzählungen am Lagerfeuer im Status Zu Bearbeiten.

Minderheiten- und Frauenrechtsdebatten klingen da direkt mit. Die märchenhafte Verklärung ist überholt und klemmt in ihrer Schublade. Warten auf bessere Tage und „The witch is dead“ modert ein wenig. Nur noch schnell ein Tänzchen drehen um sich dann wieder in den Alltag zu setzen. Oder eben Ding, Dong.